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2008 Archiv

Adam Geist

Adam Geist – ein moderner Woyzeck

Das Stück besteht aus vielen Einzelbildern, die fragmentarisch angeordnet sind, mit nur wenigen Rollen, die in mehreren Szenen auftauchen. Dabei noch verschiedenste Orte: Sterbebett, Psychiatrie, eine Schneelandschaft, Friedhof und Ort im Krieg, um eine Auswahl zu bieten. All das verlangte schnelle Szenenwechsel mit wirkungsvollen Umbauten. Umziehen war meistens auch nicht möglich. Wie immer beim Lesen solcher Stücke habe ich mich gefragt, wie das funktionieren und interessant werden sollte. Aber Theaterstücke sind eben nicht zum Lesen, sondern zum Aufführen gemacht.

Der Feuerwehr- und der türkische Männerchor lieferten die Inspiration, die kleinen Rollen aus einem Chor zu speisen.
Quasi nach griechischem Vorbild mit weißen Halbmasken und mit schwarzer Jogginghose und T-Shirt. Nur die bedeutenderen Rollen zogen dann die Masken ab und kleiden sich spezifisch mit nur einem Accessoire, damit es schnell ging.

Bei den kurzen Szenen sollten auch die Aufgänge nicht zu lange dauern, also setzten wir den Chor auf die Bühne. Stühle waren zu groß, also Bierbänke. Passen wir auf zwei Bänke? Naja, wird schon gehen, mehr passten nicht auf die Bühne. Ok, bis jetzt hatten wir Bierbänke mit schwarz gekleidetem Chor auf schwarzer Bühne. Also verkleideten wir die Bierbänke auch schwarz. Super, dann konnte auch keiner durchschauen und wir konnten die Requisiten in Kisten dahinter lagern. Aber schwarze Bühne und Schneelandschaft und ausdrücklich weiß gestrichene Psychiatrie? Weiß. Dann hängen wir doch weißen Stoff an die Drahtseile an den Seiten, oder? Das hätte aber ewig gedauert und außerdem wäre alles im Weg gesessen und gestanden. Viele Überlegungen später stand die Idee: ein Drahtseil hinten in die Mitte der Bühne, zu den vorderen Ecken, wo der Hauptvorhang befestigt ist. Nur zwei weiße Vorhänge im Dreieck und der Chor und alles verschwinden dahinter. Gelöst! Nächstes Problem: Die Souffleuse brauchte ein Buch auf der Bühne. Naja, dann nehmen eben alle eins und lesen mit. Dann vergisst auch keiner, dass er dran ist. Optimal! Nur: was sagen wir, wenn jemand fragt, warum wir auf der Bühne sitzen und mitlesen? Dass wir schnell mit den Umbauten sein wollten und die Souffleuse eben ein Textbuch brauchte?! Das klang auch doof. Aber alle auf die Bühne zu setzen mit Textbuch in der Hand fühlte sich sehr richtig an und passte zur Inszenierung und zum Stück.

Nach der Generalprobe war die Erklärung auch sonnenklar: Determinismus! Der Chor sitzt auf der Bühne und liest mit, Adam kann also nichts anderes machen als geschrieben steht, weil es von allen kontrolliert wird. Die Masken stehen dafür, dass es jeder sein könnte, die anonyme Masse, jeder von uns.

Manchmal muss man doch dem Gefühl, dass es richtig ist folgen und die Erklärung kommt einem dann noch. Auch das erste mal den weißen Vorhang zu zu ziehen, veränderte den ganzen Theatersaal überraschend. Die Reaktionen des Publikums zeigten, dass sich der Aufwand dafür gelohnt hatte.